Krisenpolitik & freie Software

In dieser Woche wollen wir euch zu Veranstaltungen einladen:

Am Donnerstag, den 10. Mai geht es ab 19:00 um die Krise und die europäische Krisenpolitik. Wir wollen uns ansehen, welche Angriffe auf Arbeiterinnen und Arbeiter in den einzelnen europäischen Ländern zur Zeit geschehen. In einer anschließenden Diskussion können wir versuchen, Erklärungen für die gegenwärtige Entwicklung zu finden.

Als Einstieg in die Thematik wird der unten stehende Text eines Flugblattes, das am 1. Mai in Paderborn verteilt wurde, empfohlen.

Am Freitag, den 11. Mai zeigen wir um 20:00 den Film „Revolution OS“:

Der Film führt einen nahtlosen geschichtlichen Bogen über die Evolution von GNU/Linux, von den Anfängen – als Software auf Papierbändern zum Preis eines Biers kopiert wurde und Bill Gates in den 70ern anfing, proprietäre Programme in BASIC für von Computerhobbyisten verwendete Kleinstcomputer zu schreiben und diese in einem bitterlichen Brief aufforderte, Software zu kaufen statt zu tauschen – bis zu Richard Stallman und einer Beschreibung dessen, was ihn motivierte, seine Stelle am MIT aufzugeben und sein Leben fortan der Entwicklung freier Software zu widmen.

Beide Veranstaltungen finden statt im Infoladen, Leostr. 75 und sind kostenlos!

Flugblatt, 1.5.12 Paderborn:

Gegen europaweiten Lohnraub helfen keine Appelle, sondern nur kompromisslose Kämpfe gegen Sozialabbau!

In deutschen Vorstandsetagen rühmt man sich, dass kein Land so gut durch die Krise gekommen ist wie Deutschland. Der Profit der 30 Dax-Konzerne überstieg im letzten Jahr erstmals die Schwelle von 100-Milliarden €. Prognosen sehen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen in diesem Jahr wieder auf Vorkrisenniveau; das bedeutet eine Zunahme von fast 40 % seit 2000.

Die Reallöhne sind in Deutschland im gleichen Zeitraum um 4,5 % gesunken; bei den unteren 30 % der Beschäftigten betrug dieser Rückgang sogar zwischen 16 und 22 %. In Schweden, Norwegen und Finnland stiegen dagegen die Reallöhne um 15 – 25 %, in Frankreich, der Schweiz und Dänemark immerhin noch zwischen 8,5 und 10 %.

Die „Agenda“-Politik der Schröder-Fischer-Regierung hat die Spaltung des Arbeitsmarktes massiv verschärft. Heute ist ein Drittel der Arbeitnehmer in unterschiedlichen Formen prekär beschäftigt. Nur noch jede vierte neu angebotene Stelle ist eine „normale“. Zur Umgehung der teilweise branchenweit geltenden Mindestlöhne haben die Unternehmer Werkverträge entdeckt, deren Zahl rasant steigt. Im Bosch-Werk Stuttgart gibt es zwar nur noch 60 Leiharbeiter, aber rund 2000 Beschäftigte in Subunternehmen. Bei BMW in Regensburg verdient ein Leiharbeiter mindestens 12 €, ein per Werkvertrag Beschäftigter nur 7,81 €. In der Ernährungsindustrie sind mittlerweile 57 % der Beschäftigten per Werkvertrag angestellt.

Den Arbeitslosen in Deutschland geht es im EU-Vergleich außerordentlich schlecht. Im EU-Durchschnitt sind rund 45 % der Erwerbslosen von Armut bedroht, hier sind es 70 %.

Diese Spaltung macht die Gegenwehr gegen den Unternehmerdruck auf Löhne und Arbeitsbedingun­gen immer schwerer. Trotz kräftigem Wirtschaftwachstum sind die Tariflöhne im letzten Jahr nur um 1,5 % gestiegen, bei einem Preisanstieg von 2,3 % ein deutlicher Reallohnverlust. Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst hätte – vor allem mit der Forderung nach mindestens 200 € mehr – die Möglichkeit geboten, diese Entwicklung zu stoppen. Die Beteiligung an den Warnstreiks war überraschend hoch. Dann ließ man aber in den Verhandlungen den Sockelbetrag fallen. Offensichtlich wurde er von der Verdi-Führung nur als Vehikel gesehen, die eher aktiven unteren Einkommensgruppen zum Warnstreik zu mobilisieren. Zudem gab man auch noch die einjährige Laufzeit auf, die es immerhin ermöglicht hätte, dass im nächsten Jahr – gemeinsam mit den Landesbediensteten – alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in der anstehenden Tarifrunde hätten aktiv werden können. Der überstürzte Abschluss hat auch von vornherein ausgeschlossen, dass es gemeinsame Aktionen mit der IG-Metall gibt.

Faktisch wird die Gehaltserhöhung nur 2,2% pro Jahr betragen. Das dürfte allenfalls die Preissteigerung ausgleichen, deren Rate allen Prognosen zufolge eher steigen wird. Damit wird es dann doch wider zu einer Reallohnsenkung kommen: Deutschland bleibt Weltmeister beim Lohndumping.

Derweil ist in Süd- und West-Europa eine Koalition aus Regierungen, Unternehmerlager und EU-Kommission unter dem Druck rasant steigender Arbeitslosigkeit dazu übergegangen, systematisch Arbeitnehmerrechte zu schleifen und Löhne zu drücken:

– In Spanien können Firmen ohne Zustimmung der Gewerkschaften Löhne senken und Arbeitszeiten ändern; der Kündigungsschutz wird aufgeweicht und Abfindungszahlungen für Entlassene sinken.

– In Italien dürfen Firmen unter Tarif bezahlen, Lohnverhandlungen sollen, um Löhne zu drücken, stärker auf Betriebsebene verlagert und der Kündigungsschutz gelockert werden.

– In Portugal werden im öffentlichen Dienst die Löhne gekürzt (mit entsprechenden Folgewirkungen im Privatsektor). Vier Feiertage und 4 Urlaubstage werden gestrichen. Entlassungen werden vereinfacht, und Unternehmen dürfen von Tarifverträgen abweichen.

– In Frankreich droht u.a. eine Lockerung des Kündigungsschutzes, eine Senkung des Mindestlohns und eine Aufweichung der Tarifverträge.

Alle diese Maßnahmen werden nicht zuletzt mit der deutschen Wettbewerbsüberlegenheit begründet. So sollen die EU-Staaten im Rahmen einer „Wachstumsagenda“ (EU-Kommissionspräsident Barroso) sich durch ihre Kostensenkungsstrategien auf dem Rücken der Arbeitnehmer gegenseitig unter Druck setzen.

Erinnern wir uns: Begründet wurde die Agenda-Politik mit den Arbeitsmarkt-„Reformen“, der Rente mit 67 und den Hartz-IV-Gesetzen damit, dass die deutsche Wirtschaft international nicht mehr „wettbewerbsfähig“ sei. Wenn sich Unternehmerlager und EU-Kommission durchsetzen, lässt sich leicht erahnen, wie die nächste „Agenda-Runde“ aussehen wird.

Das muss verhindert werden.

Ein erster Schritt dazu wäre, das deutsche Lohndumping zu beenden und deutliche Reallohnsteigerungen durchzusetzen sowie endlich die ausufernde Lohnspreizung einzudämmen. Das muss aber gegen den Widerstand der Arbeitgeber durchgesetzt werden. Hilflose Apelle und das Betteln um gerechte Löhne helfen da nicht weiter.

Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst hat gezeigt, dass viele Kollegen bereit sind, für ihre Interessen auch zu streiken. Gezeigt hat sich aber auch, dass eine Strategie, die vornehmlich auf eine Verhandlungslösung setzt und Kampfmaßnahmen nur als punktuelle Unterstützung dieser Verhandlungen begreift, zum Scheitern verurteilt ist.

In den Verdi-Mitteilungen wurde der „dogmatische Widerstand“ der Arbeitgeber gegen die Sozialkomponente beklagt. Diesem Widerstand kann nur durch die entschlossene Ausweitung der Kampfmaßnahmen entgegengetreten werden. Das erfordert allerdings den Einsatz aller Kollegen. Nur so kann der deutsche Sonderweg des Lohndumpings beendet werden. Das wäre dann zugleich ein Akt wirklicher europäische Solidarität, der sinnvoller wäre als alle moralisierenden Solidaritätsappelle.

Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren!

Es ist keine Krise! Es ist das System!
Bestandsaufnahme und Diskussion der europaweiten Angriffe auf Arbeiterinnen und Arbeiter